Imst - Sommerlager 2015
Donnerstag, 9. Juli
Der heutige Morgen begann ungewohnt kühl. Zum ersten Mal mussten wir uns zum Frühstücken ziemlich warm einpacken. Die Wetterprognose war aber gut und so war heute wieder ein Felstag angesagt. Ein lokaler Bergführer hatte uns am Vortag den Klettergarten Nösslach im Ötztal empfohlen. Dort soll es neben tollen Einkletterrouten im 6. französichen Grad auch schwere Routen mit Überhängen und Dächern haben.
Tatsächlich gab es einige coole 6b's und 6c's, die zum Teil spektakulär an grossen Griffen durch Dächer zogen. Doch bei den schwereren Routen war die Auswahl leider geringer, als wir uns das erhofft hatten. Julien versuchte sich in einer 7c mit dem Verheissungsvollen Namen "Nichts für Schwache". Im technisch anspruchsvollen ersten Teil der Route, wo Spezialtechniken wie Manteln, Spreizen und Stüzten gefragt sind, konnte er alle Stellen entschlüsseln. Doch kurz vor dem Top wartete die Schlüsselstelle mit einem äusserst kräftigen und vor allem weiten Zug, für den Julien für seine Körpergrösse einfach keine Lösung fand. Matilda und Lya versuchten sich ein einer kräftigen 6c+, fanden auch für alle Einzelstellen eine Lösung, doch am Ende machte sich wohl auch bemekbar, dass wir schon einige Klettertage in den Armen haben und so reichte die Kraft am Ende für einen Durchstieg nicht mehr. Schon bald wurde klar, dass die Routen in diesem Klettergarten durch sehr schwierige Einzelstellen geprägt sind. Im wenig strukturierten Granit macht dabei auch die Körpergrösse oftmals einen grossen Unterschied, da es nicht sehr viele Griff- und Trittvariationen gibt, die kleinere Kletterer ausnützen könnten. So beschlossen wir nach dem Mittag, mit der Gruppe in einen anderen, nahe gelegenen Sektor zu wechseln: die Auplatte.
Dieser Klettergarten besteht im Grunde genommen aus einem riesigen Felsblock, der auf der einen Seite überhängende Kletterei und auf der anderen Seite technische Plattenkletterei bietet. Überraschenderweise wollten sich unsere Athletinnen für einmal nicht in die Überhänge stürzen - davon hatten sie wohl nach dem Morgen fürs Erste genug. Motiviert wurden die ersten Plattenrouten eingehängt. Die meisten Routen sind im Bereich 6b bis 6c und erfordern eine ausgefeilte Fusstechnik, denn der glatte, nach vorne geneigte Fels bietet nur kleinste Tritt- und Griffmöglichkeiten. Vertrauen auf die Füsse und eine gute Balance ist der Schlüssel zum Erfolg. Und für einmal konnten die kleineren aus der Gruppe ihre Stärken im technischen Gelände voll ausspielen. Lukas hängte das "Testpiece" im rechten Teil der Platte ein - "Charleston" ist mit 7b+ bewertet und bietet über mehrere Meter nur kleine, flache Dellen für Füsse und Finger. Akribisch markierte er alle Griff- und Trittmöglichkeiten. Julien wollte natürlich auch probieren und einmal festgekrallt, liess er die kleinen Griffe nicht mehr los - er kletterte die technisch extrem anspruchsvolle 7b+ gleich im ersten Versuch! Angespornt von dieser Leistung liess sich dann Lukas den Durchstieg nicht nehmen und so punktete er seine erste Route in diesem Grad im zweiten Go.
Am Abend gab es Älplermagronen und zur Feier des erfolgreichen Lagers Coup Dänemark oder Banana-Split. Danach war aufräumen angesagt, denn morgen wollen wir früh losfahren, um unterwegs nochmals einige Stunden in Bürs klettern zu können.
Mittwoch, 8. Juli
Er kam doch noch, der obligatorische Regentag. Trockene Phasen wechselten sich ab mit strömendem Regen und so war klar, heute wird das nichts mit Klettern am Felsen. Aber darüber waren wir dieses Jahr nicht mal so traurig, denn es wartete das "Sonnendeck" des Kletterzentrums Imst auf uns. Diese Aussenanlage lockt mit einer Wandhöhe von 21.5m und ist im oberen Teil so überhängend, dass man vom Regen geschützt klettern kann. Durch das Dach bis ganz nach oben klettert man 28m lang - das ist ein ganz spezielles Gefühl, wenn man so ausgesetzt durch ein fünf Meter langes Dach klettert. Einigen von uns war diese Wand bestens bekannt, fand doch vor einigen Wochen der internationale Jugend Kletterwettkampf "Youth Color Climbing Festival" statt. Die Routen waren noch immer in der Wand und die ganz starken konnten sich sogar in den Finalrouten des letzten European Youth Cups versuchen - unglaublich, was für Schwierigkeiten die international besten U16, U18 und U20 Kletterer drauf haben! Doch auch unsere NachwuchsathletInnen aus dem RSZ "cruisten" nur so durch die langen Routen. Besonders die Ausdauerhämmer im Grad 7b haben es ihnen angetan.
Nach den ersten erfolgreichen Top-Begehungen ging es zurück auf den Camping für die gemeinsame Mittagspause. Nach dem Mittagessen war eine Theorielektion angesagt - Trainingslehre stand auf dem Programm. Gemeinsam besprachen wir wichtige Fragen wie "was bedeutet Training?", "woher kommt die Energie in unseren Muskeln?", "wie trainieren wir diese Energiesysteme?", "wie könnte man einen Trainingsplan gestalten?". Dabei gab es das ein oder andere Aha-Erlebnis und mit den neu gewonnenen Erkenntnissen ging man am Nachmittag nochmals ans Sonnendeck. Während die meisten nochmals eine oder zwei schwierige Routen versuchten, wollte Patrick die Gelegenheit nutzen, um einige Go's in der original 15m Speedroute zu geben. Plötzlich betraten stark aussehende Jungs und Mädels die Anlage - das Polnische Speed-Team! Die Polen gehören in dieser Disziplin zu den stärksten der Welt - für die 15m benötigen sie nicht mal 6 Sekunden. Freundlicherweise versorgten sie Pädi mit nützlichen Pro-Tips, wie die genormte Route möglichst effizient zu bewälitgen ist.
Zum Abschluss absolvierte jeder ein extensives Dauerklettern. Während 30 Minuten bewegt man sich dabei ständig an der Wand auf und ab. Mit den theoretischen Infos versorgt wusste nun jeder, weshalb man dabei keinen Pump verspüren sollte und es eben trotzdem Training ist, auch wenn es sich nicht anstrengend anfühlt.
Dienstag 7. Juli
Den heutigen Morgen starteten wir auf Hannahs Wunsch mit selbstgemachten Crêpes. Am Vorabend hatten wir dafür extra eine zweite Bratpfanne organisiert und dies erwies sich als weise Entscheidung, denn für 13 Personen Omeletten zu braten braucht etwas Zeit und Geduld. Aber das Warten lohnte sich, die Crêpes mit Zimtzucker, Konfitüre, Nutella oder frisch geschnittenen Früchten schmeckten einfach himmlisch.
Nachdem wir uns die Bäuche vollgeschlagen hatten, stand heute bereits der berühmt berüchtigte Ruhetag auf dem Programm. Berüchtigt deshalb, weil an den Lager-Ruhetagen meistens die Finger das einzige sind, das ruht. Auch diesmal wollten sich die Trainer natürlich nicht mit einem einfachen Besuch in der Badi zufrieden geben und so wurden die Rucksäcke gepackt und die Wanderschuhe geschnürt. Durch die malerische Rosengartenschlucht wanderten wir nach Hochimst. An den engen, schattigen Stellen bot die Schlucht eine willkommene Kühlung, denn bereits am Morgen stieg das Thermometer unerbittlich in die Höhe. Anscheinend wollten die Kids den Badesee in Hochimst möglichst schnell erreichen - oder sie wollten einfach allen demonstrieren, dass wir ein Leistungskader und kein Ponihof sind - denn die Jungen schritten im Eiltempo voran, Mäsi rannte wie ein wildgewordener Paparazzo von einer Schluchtseite zur anderen und knippste Fotos und Gregi und Mischi hechelten hinterher. So überholten wir sämtliche Wanderer, die uns mit verständnislosen Blicken hinterherschauten, und erreichten das Ziel nach knapp 40 Minuten - bei einer angegebenen Wanderzeit von 1,5 Stunden...
Der See war zwar nicht ganz so himmelblau wie im Prospekt versprochen - und wenn man ehrlich ist wohl auch eher ein Teich als ein See - aber nicht desto trotz bot er eine herrliche Abkühlung. Die nächsten Stunden verbrachten wir mit Schwimmen, Wasser stauen, Spielen und - tatsächlich - ausruhen. Am späteren Nachmittag wollten wir die kühleren Stunden nutzen um nochmals etwas höher zu wandern (es war noch immer 34° C, Anm. d. Red.). Nach fünfzigminütiger Wanderung auf einem Pilzlehrpfad in einem lauschigen Wäldchen und einem mehr oder weniger schattigen Wanderweg wartete eine rasante Abfahrt auf der längsten Rodelbahn Europas auf uns. Danach kühlten wir uns nochmals im Badesee ab und machten uns dann wieder auf den Rückweg. Zurück im Dorf hatten wir uns das Gelato dann so richtig verdient.
Am Abend war es noch immer knapp 30° C und so war es nicht verwunderlich, dass nun doch einmal ein Sommergewitter aufzog. Doch der anstrengende Ruhetag liess uns trotz Donner-Dauergrollen, Regenprasseln und Blitzen gut einschlafen. Und am nächsten Morgen zeigte sich, dass die Küchenzelt-Konstruktion auch einem Sommersturm stand hält.
Montag 6. Juli
Der Montag begann gemächlich. Nachdem wir am gestrigen Tag den langen Sommertag bis zum Sonnenuntergang zum Klettern genutzt haben, liessen die Trainer die AthletInnen etwas ausschlafen, holten Brot für das Frühstück, bereiteten ein frisches Müsli zu und genossen die Ruhe bei einem Morgenkaffee. Das Wetter versprach heute ideale Kletterbedingungen - leicht bewölkt und nicht ganz so heiss wie die letzten Tage.
Nach dem Frühstück ging es in den Klettergarten Oberried. Dieser besteht aus mehreren nahe beieinander liegenden Sektoren mit ebener Spielwiese am Wandfuss, die zugleich auch als Kuhweide dient. Die versprochenen Wolken hatten sich in der Zwischenzeit bereits verzogen und so lagen die ostseitig ausgerichteten Kletterwände am Morgen noch in der Sonne. Aber davon liessen sich die Kletterer nicht abhalten und schon bald wurden die ersten Einwärmrouten geklettert. In der Zwischenzeit machte sich eine neugierige - oder hungrige - Kuh an dem am Wandfuss gelagerten Gepäck zu schaffen. Zuerst probierte sie Mia's Tshirt zu fressen. Das hat ihr wohl nicht geschmeckt und so sabberte sie danach Michèles Kleider ein bevor sie Luka's Sonnencrème entdeckte und diese zu verspeisen versuchte. Nur das beherzte Einschreiten von den beiden Kuhflüsterern Marcel und Lukas bewegte die Kuh zum Rückzug und unser Gepäck war gerettet.
Abgesehen von einigen weiteren Angriffen der feindlichen Wiederkäuer verlief der Klettertag friedlich und es gelangen wieder einige schöne Durchstiege. Hannah gelang ein Flash der 7a "Fragile", welche dann auch von Zoé gepunktet wurde. Auch Matilda wollte sich diese kurze, bouldrige Route an kleinen Leisten nicht entgehen lassen. Mit Tips von ihren Kletterkolleginnen versorgt gelang ihr der Durchstieg der Route auf Anhieb. Somit konnte sie nicht nur ihre erste 7a in ihr Routenbuch schreiben, sondern diesen Eintrag auch gleich noch mit der Bemerkung "flash" versehen. Dies bedeutet, dass man eine Route gleich im ersten Versuch durchsteigen kann (also ohne sich ins Seil zu setzen oder an Sicherungspunkten hochzuziehen), wobei man zuvor andere Kletterer in der Route beobachten kann und von ihnen auch Tips zur Route erhalten darf. Auch Lukas, der bereits einige 7a's auf seinem Konto hat, liess die kleinen Griffe in der Route nicht los und topte die "Fragile" ebenfalls im ersten Versuch. Dass die Trainer trotz Trainingsrückstand noch immer fit sind bewies Mäsi mit einem Flash der Route "Rosmaries Baby" (7c), welche über eine spektakuläre Felsnase zieht.
Am Ende des Tages übten die Kids zusammen mit Michèle und Mäsi noch einige Akrobatikkunstücke. Amael, der sich am Felsen aufgrund von Handbeschwerden etwas zurückhalten muss, absolvierte mit Michèle noch eine harte Trainingssession am Slingtrainer - man darf gespannt sein, wer am nächsten Tag mehr Muskelkater hat... Zum Glück für die Trainerin wird morgen ein Ruhetag abgehalten.
Pädi believes he can fly und versucht sich in der spektakulären Rosmaries Baby (7c)
Sonntag 5. Juli
Die ZKM in Uster war für die KaderathletInnen zugleich der erste Lagertag des diesjährigen Sommerlagers. Nach dem erfolgreichen Wettkampf konnten wir gleich gegenüber der Kletterhalle unser Nachtlager im Pfadizentrum Uster beziehen. Pasta mit Gemüse und Zitronensauce füllte die leeren Energiespeicher nach dem heissen und anstrengenden Wettkampftag wieder auf. Wir genossen noch etwas den lauen Sommerabend und legten uns dann früh schlafen, denn morgen war früh aufstehen angesagt - die Fahrt nach Imst stand bevor.
Nach dem Frühstück wurde das Gepäck in die Fahrzeuge verladen und nach einer kurzen gemeinsamen Putzaktion der Unterkunft ging es weiter Richtung Österreich. Schon bald verdampfte die angenehme Kühle des Morgens und die Sommerhitze stellte Fahrer und Büssli auf eine harte Probe. Doch wir kämpften uns erfolgreich über den Arlberg und kamen etwas geplättet von der Hitze aber wohlbehalten auf dem Campingplatz in Imst an. Die Energie reichte noch, um Zelte und Küche aufzubauen und ein Gemüserisotto zuzubereiten. Nach dem Mittagessen war dann aber erstmal Siesta angesagt. Im Schatten wurde entweder geschlafen (die Trainer) oder Frisbee gespielt (die sportlichen und motivierten Athletinnen). Etwas später am Nachmittag war es zwar noch immer heiss, doch die wieder etwas erholten Trainer beschlossen, mit der Gruppe in den nicht allzu weit entfernten Klettergarten Rammelstein zu fahren. Kurzer Zustieg, nordseitig ausgerichtet und im Wald gelegen versprach dieser genau das richtige für diesen Hitzetag. Und wir wurden nicht enttäuscht. Kurze aber interessante Routen und immer kühler werdende Temperaturen waren die Zutaten zu einem tollen Kletterabend.
Besonders erfolgreich waren heute Nino und Julien. Julien hatte aus einem früheren Besuch im Rammelstein noch eine alte Rechnung offen. 007 hiess die kurze aber knackige 7a, die ihn damals vor ein unlösbares Problem gestellt hatte - er war zu klein für die weiten Kletterzüge. Auch dieses Jahr schien es zunächst kaum möglich - wo andere sich von einem guten Griff zum nächsten strecken können, fand Julien zunächst keine Lösung für diese Passage. Doch er gab nicht auf und schlussendlich fand er tatsächlich eine Möglichkeit, diesen Zug für ihn kletterbar zu machen. Voll ausgestreckt an kleinen Tritten kämpfte er sich durch die Schlüsselstelle und liess auch im anspruchsvollen oberen Teil der Route nicht mehr los. Nino gelang an diesem Abend der Durchstieg von 007 im zweiten Versuch. Danach zeigte sich, dass die Trainer am Mittag nicht einfach faul waren, sondern einfach nur schlau taktiert hatten, denn während sich bei den AthletInnen das nachmittägliche Sportprogramm und der anstrengende Tag nun doch langsam bemerkbar machten, konnten nun auch die Trainer noch ein paar Kletterzüge in der kühleren Abendluft geniessen und wurden dabei von den Athletinnen angefeuert und mit mehr oder weniger hilfreichen Tipps für die trickreichen Kletterzüge versorgt.
In der wunderschönen Abendstimmung fuhren wir danach zurück ins Camp und schon bald verkrochen wir uns in den Zelten um morgen wieder frisch für einen weiteren Klettertag zu sein.